von Sophia Oetjen
Es ist 18:28 Uhr. Ich fahre in Beers los. Mein Ziel: Der Wasserschout in Bremerhaven. Dort soll heute unser erster Klönabend in diesem Jahr stattfinden. Ich freue mich schon sehr, denn es haben sich viele angemeldet und ich sehe viele, im wahrsten Sinne des Wortes, alte Gesichter wieder. Um genau 19:00 Uhr betrete ich das Restaurant. Mist, alle sind schon da. Ich bin mal wieder die letzte. Nun gut. Erhobenen Hauptes betrete ich den Raum, in dem eine lange Tafel steht und unsere Mitglieder bereits ihre ersten Getränke haben. Die Worte, die mich begrüßen, lauten: „Du musst wieder gehen, du treibst den Altersschnitt gewaltig runter.” Gelächter. Na schönen Dank auch, auf Ü-30-Parties darf ich, aber hier gilt Ü-53. Natürlich weiß ich, dass das nur ein Scherz ist, also setze ich mich auf den einzig freien Platz. Ich sitze neben Hans-Dieter, der in diesem Jahr seit 65 Jahren Mitglied unserer Bühne ist und mit dem ich den letzten Klönabend ganz allein verbracht habe. Ich habe an dem Abend nicht einmal auf das Handy geschaut habe, weil ich seinen Geschichten wie gebannt gelauscht habe.
Noch vor meinem ersten Getränk werde ich gefragt, wie unser aktuelles Stück „Up Düvels Schuvkar” läuft. Ich berichte ein wenig und Rosi, die seit 1987 Mitglied ist, steigt mit ein. Sie erinnert sich noch daran als sie damals in dem Stück mitgespielt hat. 1971 haben wir „Up Düvels Schuvkar” zum ersten Mal gespielt, Rosi hat damals die „schöne Rolle”, so Rosi, der Taline verkörpert. Auch Hinni, Rosis Mann, erzählt: „An das Bühnenbild von damals kann ich mich noch erinnern, das war ähnlich.”
Das Essen kommt. Zwischen Kau- und Schluckgeräuschen wird sich weiterhin über die verschiedensten Themen unterhalten, vorne mit dabei: Hunde, Krankheiten und Enkelkinder. Aber auch über vergangene Theaterstücke wird gesprochen. „Mit Hans-Dieter habe ich mal im Großen Haus gestanden. Da denke ich gerne daran zurück.” sagt Rosi mit einem Funkeln in den Augen. Angelika, ehemalige Beisitzerin des Vorstandes, steigt mit ein: „Die erste Rolle, wo ich dich gesehen habe, war Hackelümmels.” sagt sie zu Hans-Dieter. Er ist eben ein echtes Urgestein. Auch Hans-Dieter weiß eine kleine Anekdote zu erzählen. Er war bei der Generalprobe, zu der unsere Mitglieder immer eingeladen sind, von „Up Düvels Schuvkar” und hat den Spielleiter Martin Kemner angesprochen. „Sag mal, kennst du mich noch?” Daraufhin habe Martin bloß mit „Nee” geantwortet. „Denk mal an Anatevka.” sagte Hans-Dieter. Da schien der Groschen auch bei Martin gefallen zu sein. Hans-Dieter erzählt, dass es damals im Stadttheater eine Wiederaufnahme des Stücks im September geben sollte und er damals für die Rolle des Wirts eingesprungen ist. Er berichtet, dass er sich die letzte Vorstellung des Stücks in alter Besetzung vom Publikum aus angeschaut hat. Mit dabei: Das Textbuch und das Diktaphon. Er weiß sogar noch, wo er gesessen hat: „Balkon rechts.” Während des Stücks sprach er sich also immer wieder Ansagen in sein Diktaphon, die ihm bei der Umsetzung der Rolle im September helfen sollten. Der Besucher vor ihm fühlte sich wohl ein wenig gestört, denn er drehte sich immer wieder zu Hans-Dieter um und schüttelte mit seinem Kopf. In der Pause hat Hans-Dieter den Mann dann an der Tür abgefangen und ihm den Umstand erklärt. Daraufhin antwortete er: „Ach so, na dann versteh ich das.” Doch was hat das mit Martin Kemner zu tun? Na, der spielte da damals auch mit und sagte zu Hans-Dieter, der bloß drei Proben hatte, bei der Premiere: „Na, bist aufgeregt?”
Jetzt, wo ich die Zeilen hier verfasse, hoffe ich, dass ich Hans-Dieter überreden kann, dass er diese Anekdote nochmal für uns mit eigener Feder verfasst. Ich glaube, dann bekommen wir noch viel mehr Details zu hören als ich sie je aufschnappen könnte.
Der Abend nimmt seinen Lauf und natürlich fällt auch mal der Satz „Das ist jetzt heutzutage wohl so.”, ausgerechnet von der zweit”jüngsten”. Ihr wisst schon, die die am Anfang die Linie für die Ü-53-Grenze gesetzt hat. Die Rede ist von unserer ersten Vorsitzenden Meike Wiemken, die schon im Bauch ihrer Mutter auf der Bühne gestanden hat. Sie erzählt den Mitgliedern, die es im Oktober nicht zu unserem großen Jubiläum geschafft haben, von diesem ereignisreichen Tag, der ein wenig holprig startete. „Ich dachte, wenn der Tag so weiter geht, kann man mich nachmittags aus irgendeiner Ecke kratzen.” erzählt sie, nun mit einem großen Lächeln im Gesicht. Unser Probenraum war an dem Tag morgens besetzt, obwohl wir ihn doch reserviert hatten. Doch das Problemchen war schnell beseitigt. Meike erzählt auch ganz stolz von unseren Mitgliedern, die zum Helfen da waren, wo sie eingeteilt waren und mit viel Tatendrang unterstützt haben. Sie erzählt Rosi auch, dass sie ganz schön aufgeregt war als sie auf der Bühne des Großen Hauses vor Beginn der Vorstellung eine Rede reden musste. Wir werden uns wohl lange noch an diesen schönen Tag erinnern.
Der Abend geht langsam zu Ende. Ich soll meine Eltern, die sich bei der Bühne Waterkant kennengelernt haben, ganz liebe Grüße ausrichten. Nach und nach verabschieden sich Gertrud, Elke, Angelika, Jochen, Rosi, Hinni, Silke und Hans-Dieter. Meike und ich bleiben als letzte übrig. Wir freuen uns darüber, dass wir in so großer Runde heute zusammen sitzen konnten und hoffen, dass sich für den nächsten Klönabend im März auch einige anmelden werden.
Ich steige ins Auto. Mit einem großen Grinsen starte ich den Motor und freue mich darüber, wie viel unsere alt eingesessenen Mitglieder zu erzählen hatten. Ich lausche den alten Geschichten einfach zu gerne.
Eines Tages bin ich ja vielleicht auch ein Urgestein unserer Niederdeutschen Bühne Waterkant und kann den dann Fünfundzwanzigjährigen erzählen, an welche besonderen Augenblicke ich mich noch erinnere.